„Wir kommen wieder“, knirschte sie. „Wie konnte uns dies geschehen? Sind wir nicht stärker und mächtiger, als das Volk der Bienen? Noch ist mir jeder Feldzug zu unserm Ruhm geglückt. Wie soll ich nach dieser Niederlage vor unsere Königin treten?“ Und wutbebend wiederholte sie: „Woran liegt das, was ist hier geschehen? Das kann nur Verrat sein.“
Da antwortete eine ältere Hornisse, die als eine Freundin der Königin galt:
„Wir sind wohl stärker und mächtiger, aber das Volk der Bienen ist einig und treu. Das ist eine große Macht, der niemand widerstehen kann. Keine würde ihr Volk verraten, jede dient zuerst dem Wohl aller.“
Die Führerin hörte kaum zu.
„Mein Tag wird kommen“, knirschte sie. „Was schert mich die Weisheit dieser Kleinbürger. Ich bin ein Räuber und will als Räuber sterben. Aber hier wäre kämpfen Wahnsinn. Was nützt es uns, wenn wir den ganzen Bienenstock vernichten und keiner von uns käme zurück?“ Und an den Boten gewandt, rief sie:
„Verlange die Toten. Wir ziehen.“
Es antwortete ihr ein dumpfes Schweigen. Der Wächter flog davon. —
„Wir müssen mit einer neuen Tücke rechnen, obgleich ich nicht glaube, daß die Hornissen noch große Kampfeslust haben“, sagte die Bienenkönigin, als sie diesen Entschluß der Feinde hörte. Sie befahl, daß zwei neue Abteilungen Krieger den Eingang zu decken hätten und daß die Wachsbereiterinnen und Trägerinnen und die Nachhut die Toten aus der Stadt schaffen sollten.
Und so geschah es. Über Berge von Toten hin wurde eine Räuberleiche nach der andern langsam zum Eingang geschafft und hinabgeworfen. In düsterem Schweigen verharrte drüben die Schar der Hornissen auf der Blautanne und sah die Körper der Gefallenen einen nach dem anderen zu Boden sinken. Es war ein Bild von grenzenloser Trauer, das die heraufsteigende Sonne beschien. Einundzwanzig Gefallene, die einen ruhmvollen Tod gestorben waren, häuften sich im Gras unter der geretteten Stadt. Kein Tröpflein Honig und keine Gefangenen gingen in die Hände des Feindes über. Die Hornissen ergriffen ihre Toten und flogen davon, die Schlacht war beendet, und das Volk der Bienen hatte gesiegt.
Aber welche Opfer hatte dieser Sieg gekostet! Überall lagen Tote umher, in den Straßen und Gängen und den dämmerigen Plätzen vor den Brut- und Honigschränken. Es gab eine traurige Arbeit im Stock an diesem schönen Sommermorgen voll Blumenblühen und Sonnenschein. Die Toten mußten hinausgeschafft und die Verwundeten verbunden und gepflegt werden. Aber bevor der Mittag heraufzog, begann schon wieder die gewohnte Arbeit im Stock. Denn die Bienen feierten weder ihren Sieg, noch trauerten sie lange Zeit um ihre Toten. Ein jeder trug seinen Stolz und seinen Schmerz still mit sich herum und ging seiner Pflicht und Arbeit nach. Es ist ein seltsames Volk, das Volk der Bienen.