„Es ist eine Rose,“ sagte er, „damit Sie es denn also nun wissen. Wir haben sie vor vier Tagen bezogen und sie ist inzwischen unter unsrer Pflege auf das prächtigste gediehen. Darf ich Sie bitten näher zu treten?“

Maja zögerte, aber sie überwand ihre Besorgnis und machte ein paar Schritte. Der Käfer drückte ein helles Blättchen beiseite, und sie betraten nebeneinander die schmalen Gemächer mit ihren hellroten, duftenden Wänden und ihrem gedämpften Licht.

„Sie haben es wirklich reizend“, sagte Maja, die ehrlich entzückt war. „Und dieser Duft hat etwas gradezu Betörendes.“

Dem Käfer machte es Freude, daß Maja Gefallen an seiner Wohnstätte fand.

„Man muß wissen, wo man sich aufhält“, sagte er und lächelte wohlwollend. „‚Sage mir, wo du umgehst, und ich werde dir sagen, wieviel du wert bist‘, sagt ein altes Sprichwort. Ist etwas Honig gefällig?“

„Ach,“ platzte Maja heraus, „das wäre mir wirklich sehr angenehm.“

Der Käfer nickte und verschwand hinter einer der Wände. Maja sah sich glücklich um. Sie schmiegte ihre Wange und ihre Händchen an die zarten rotleuchtenden Vorhänge, atmete den köstlichen Duft tief ein und war beseligt vor Freude, sich in einer so schönen Wohnung aufhalten zu dürfen. Es ist doch wirklich ein großer Genuß zu leben, dachte sie, und diese Behausung ist den dumpfen und überfüllten Etagen nicht zu vergleichen, in denen wir leben und arbeiten. Schon diese Stille ist ganz herrlich.

Da hörte sie den Käfer hinter den Wänden in ein lautes Schelten ausbrechen. Er brummte erregt und böse, und es war Maja, als packte er jemanden, den er unsanft vor sich herstieß. Dazwischen vernahm sie ein helles Stimmchen voll Angst und Verdruß und sie verstand die Worte:

„Natürlich, wenn ich allein bin, dürfen Sie sich herausnehmen, mir zu nahe zu treten; aber warten Sie, wie es Ihnen ergehn wird, wenn ich meine Gefährten hole. Sie sind ein Grobian. Gut, ich gehe. Aber Sie werden die Bezeichnung, die ich Ihnen gegeben habe, niemals vergessen.“

Maja war sehr erschrocken über die eindringliche Stimme des Fremden, die scharf und böse klang. Sie hörte dann noch, wie jemand sich eilig entfernte.

Der Käfer kam zurück und warf mürrisch ein Klümpchen Honig hin.

„Es ist ein Skandal,“ sagte er, „nirgends hat man Ruhe vor diesem Gesindel.“

Maja vergaß vor Hunger zu danken, sie nahm rasch einen Mund voll und kaute, während der Käfer sich den Schweiß von der Stirn trocknete und seinen oberen Brustring etwas lockerte, um leichter atmen zu können.

„Wer war denn da?“ fragte Maja mit vollem Mund.

„Essen Sie bitte erst den Mund leer, schlucken Sie erst herunter,“ sagte der Käfer, „so versteht man Sie nicht.“

Maja gehorchte, aber der erregte Hausbesitzer ließ ihr keine Zeit zu einer neuen Frage. Ärgerlich fuhr er heraus:

„Eine Ameise war es. Glauben denn diese Leute, man sparte und sorgte sich Stunde für Stunde nur für sie. Und so ohne Gruß und Anstand in die Vorratskammern zu dringen! Es empört mich. Wenn ich nicht wüßte, daß es bei diesen Tieren in der Tat Mangel an Lebensart ist, würde ich keinen Augenblick anstehen, sie als Diebe zu kennzeichnen.“ — Er besann sich plötzlich und wandte sich Maja zu:

„Sie verzeihen, ich vergaß mich Ihnen vorzustellen, ich heiße Peppi, von der Familie der Rosenkäfer.“

„Ich heiße Maja,“ sagte die kleine Biene schüchtern, „es freut mich sehr, Sie kennengelernt zu haben.“ Sie betrachtete den Käfer Peppi genau. Er verbeugte sich wiederholt und breitete dabei seine Fühler wie zwei kleine braune Fächer aus. Das gefiel Maja außerordentlich.

„Sie haben entzückende Fühler,“ sagte sie, „einfach süß ...“

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