Die kleine Maja dachte an das, was der Elf vorhin erzählt hatte, und fragte, während sie in den Ranken aufwärtsstiegen:

„Träumen die Menschen, wenn sie schlafen?“

„Nicht nur dann,“ sagte der Elf, „sondern sie träumen zuweilen auch, wenn sie wachen. Dann sitzen sie da, etwas in sich zusammengesunken, ihr Kopf neigt sich ein wenig, und ihre Augen suchen in der Ferne, als ob sie bis in den Himmel schauen möchten. Immer sind ihre Träume schöner als das Leben, deshalb erscheinen wir ihnen darin.“

Aber da legte der Elf rasch das winzige Fingerchen auf seine Lippen, bog einen keinen blühenden Jasminzweig zur Seite und schob dann Maja ein wenig vor.

„Sieh nun hinab,“ sagte er leise, „dort findest du, was du dir gewünscht hast.“

Da sah die kleine Biene im Mondschatten auf einer Bank zwei Menschen sitzen. Es waren ein Mädchen und ein Jüngling. Sie hatte ihren Kopf an seine Schulter gelehnt, und sein Arm hielt sie umschlungen, als ob er sie schützen wollte. Sie saßen ganz still da und schauten mit großen Augen in die Nacht. Es war so ruhig, als wären sie beide eingeschlafen, nur in der Ferne hörte man die Grillen und langsam, langsam wanderte das Mondlicht in den Blättern.

Die kleine Maja sah voll Entzücken in das Gesicht des Mädchens. Obgleich es bleich und traurig erschien, lag doch ein Schimmer von großem Glück darüber, der wie ein heimliches Leuchten war. Über den großen Augen ruhte goldenes Haar, wie auch der Elf es hatte, und auf dem Haar lag der Himmelsschein der Sommernacht. Von ihren roten Lippen, die ein klein wenig geöffnet waren, ging ein Hauch von Wehmut und Seligkeit, als ob sie alles, was ihr eigen war, zum Glück des Mannes dahingeben wollte der an ihrer Seite saß. Und nun wandte sie sich ihm zu und zog sein Haupt zu sich nieder und sagte etwas, das ein Lächeln in sein Gesicht zauberte, wie Maja nie geglaubt hatte, daß ein Wesen der Erde lächeln könnte. In seinen Augen strahlten ein Glück und eine Kraft, als ob die ganze, große Erde sein Eigentum wäre und als wären Leid und Ungemach für immer aus der Welt verbannt.

Es verlangte Maja nicht danach zu wissen, was er dem Mädchen antwortete. Ihr Herz zitterte, als sei die Seligkeit, die von den Menschen unter ihr ausging, auch ihr Eigentum. „Nun habe ich das Herrlichste gesehen,“ flüsterte sie bebend, „was meine Augen jemals schauen werden. Ich weiß nun, daß die Menschen am schönsten sind, wenn sie einander liebhaben.“

Sie wußte nicht, wie lange sie so still und in Schaun versunken hinter den Blättern gesessen hatte. Als sie sich umwandte, war der Schein des Glühkäfers erloschen, und der Elf war fort.

Da erblickte sie durch den Ausgang der Laube fern über der Landschaft einen schmalen, roten Lichtstreif am Horizont.

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